Blitzermarathon in Deutschland: Warum es mehr als nur Radarfallen sind

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Einleitung

Der Blitzermarathon ist längst mehr als ein punktuelles Radar-Event – er steht für Verkehrssicherheit, Prävention und gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Spätestens seit der europaweiten Speedweek Anfang April 2025 beteiligen sich nahezu alle Bundesländer, doch immer wieder wird über Sinn und Wirkung diskutiert. In diesem Artikel kläre ich, warum der Blitzermarathon tiefgründiger ist, als man oft denkt – und was wirklich dahinter steckt.

Was ist der Blitzermarathon?

Der Blitzermarathon begann am 10. Februar 2012 in Nordrhein-Westfalen als Initiative zur Senkung der Unfallzahlen durch überhöhte Geschwindigkeit. Seit Oktober 2013 ist die Aktion bundesweit etabliert, seit 2015 unter dem Dach des europäischen Netzwerkes ROADPOL auch als Speedmarathon bekannt.

Während die Polizei früher reguläre Radarmessungen durchführte, handelt es sich beim Blitzermarathon um eine koordiniert geplante, meist eintägige Aktion, bei der tausende Beamte gezielt Raser an bekannten Unfallschwerpunkten, Schulzonen und Gefahrenstellen kontrollieren.

Ziele der Aktion

Das zentrale Ziel ist die Reduktion von Unfällen, indem Autofahrer für Risiken sensibilisiert werden. Überhöhte Geschwindigkeit gilt als häufigste Unfallursache, insbesondere bei tödlichen Verkehrsunfällen.

Zudem zielt der Blitzermarathon auf Aufmerksamkeitssteigerung, Prävention und den psychologischen Effekt, dass Menschen ihr Fahrverhalten kurzfristig ändern – immerhin kann schon eine kleine Überschreitung über Leben und Tod entscheiden.

Bundesweite Teilnahme 2025

Im April 2025 fand die Speedweek vom 7. bis 13. April statt, mit einem Schwerpunkt am 9. April, an dem besonders intensiv kontrolliert wurde.

Teilnehmende Bundesländer waren unter anderem: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Nur Berlin und das Saarland nahmen aus Kapazitätsgründen nicht teil.

In Bayern waren etwa 1 500 Messstellen mit rund 2 000 Beamten im Einsatz. In vielen Bundesländern waren täglich tausende Messpunkte aktiv, oft rund um die Uhr.

Wie erfolgt die Kontrolle?

Die Polizei nutzt eine Mischung aus mobilem und zivilen Messgerät, Lichtschranken, stationären Radarfallen, Motorradstaffeln und Verkehrsüberwachung zu Fuß. Die Auswahl der Messpunkte erfolgt strategisch: in der Nähe von Schulen, Altenheimen, Wohngebieten und bekannten Unfallorten.

Teilweise veröffentlichen Länder wie Bayern die Messorte vorab – der Überraschungseffekt bleibt dennoch erhalten, da viele Standorte nicht bekannt gegeben werden. In anderen Bundesländern erfolgen die Kontrollen bewusst ohne vorherige Ankündigung.

Wirkung und Erfolge

Im Rahmen des Blitzermarathons 2024 wurden in Baden-Württemberg über 360 000 Fahrzeuge kontrolliert, mehr als 13 000 Bußgeldverfahren eingeleitet – darunter auch Fahrverbote bei extremen Tempoüberschreitungen.

Innerhalb der Aktionszeit sinken Unfallzahlen im Schnitt um 7,5 %, bereits im Vorfeld ebenfalls um rund 4,5 %, so eine Langzeitstudie der Universität Passau. Auch der ADAC lobt den Blitzermarathon als effektive Maßnahme zur Sensibilisierung und Verbesserung der Verkehrssicherheit.

Die Polizei spricht regelmäßig von mehr Verständnis bei der Bevölkerung. Besonders Eltern begrüßen die gezielte Kontrolle vor Schulen und Kitas. Viele Autofahrer berichten, dass der Blitzermarathon sie zumindest temporär zum Nachdenken bringt – was bereits ein Gewinn für die Sicherheit ist.

Kritik und Grenzen

Viele Experten monieren den fehlenden Langzeiteffekt: Das höhere Verkehrsaufkommen und die Fahrsicherheit normalisieren sich bereits ein bis zwei Tage nach dem Marathon wieder – die Effektivität verpufft schnell.

Die Gewerkschaft der Polizei kritisiert zudem, dass die Aktion hohe Personalressourcen bindet, lokale Polizeidienste entlastet werden müssen und die Wirkung eher symbolisch als nachhaltig sei.

Kritiker bemängeln auch eine mögliche Einnahmeorientierung, da Kommunen aus Bußgeldern teilweise Millionen generieren – beispielsweise in Thüringen, wo allein 2024 über 32 Millionen Euro aus Verkehrsverstößen eingingen.

Psychologische Wirkung

Der Blitzermarathon wirkt – zumindest kurzzeitig – durch sichtbare Präsenz und das Gefühl, erwischt zu werden. Viele Fahrer bremsen automatisch ab, wenn sie eine Messstelle sehen, und berichten später über ein neues Gefahrbewusstsein.

Dennoch sprechen Studien von einem Effekt, der nur solange anhält, wie das Risiko sichtbar ist. Fehlt dieses, kehrt das alte Verhalten schnell zurück. Die Kontrolle verändert also nicht die innere Einstellung, sondern das unmittelbare Verhalten – was ein Unterschied ist.

Trotzdem: Der Gedanke, beobachtet zu werden, kann in kritischen Bereichen wie Schulwegen lebensrettend sein. In dieser Hinsicht erfüllt der Blitzermarathon eindeutig einen präventiven Zweck.

Alternativen für nachhaltige Sicherheit

Viele Experten und Verkehrsforscher plädieren für dauerhaftere Maßnahmen: Section-Control (Durchschnittsmessung), flächendeckende Tempolimits, fortlaufende Verkehrserziehung oder digitale Fahrsimulationen gelten als nachhaltiger als punktuelle Events.

Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen – etwa 130 km/h – könnte dauerhaft die Unfallzahlen senken, ebenso wie intelligente Verkehrslenkung und digitale Assistenzsysteme. Auch Tempobegrenzungen in Innenstädten werden zunehmend diskutiert.

Nicht zuletzt fordern Verkehrsexperten auch eine Modernisierung der Fahrerlaubnisausbildung: mehr Fokus auf Risikoeinschätzung, Verhalten in Stresssituationen und Langzeitfolgen von Tempoüberschreitung.

Fazit

Der Blitzermarathon ist weit mehr als nur eine Radarfallen-Orgie – er ist ein präventives Signal, eine Methode zur öffentlichen Sensibilisierung – und ein wichtiger Anlass, über temposparendes Verhalten nachzudenken. Seine Wirkung ist real, wenn auch zeitlich begrenzt, und löst Diskussionen über Verkehrserziehung, technische Alternativen und langfristige Strategien aus.

Er ersetzt keine langfristige Politik für sichere Straßen, aber er erinnert uns daran, wie verletzlich der Straßenverkehr ist – und wie wenig es braucht, um Schaden zu verhindern. Für viele Autofahrer ist er ein lästiges Hindernis. Für andere – darunter Kinder, Fußgänger oder Senioren – ist er ein Stück mehr Sicherheit auf dem täglichen Weg.

Vielleicht brauchen wir den Blitzermarathon irgendwann nicht mehr. Vielleicht haben wir bis dahin gelernt, Verantwortung nicht nur unter Druck wahrzunehmen – sondern aus Überzeugung.

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